Norman Paech zu US-Drohneneinsätzen von deutschem Boden

http://www.jungewelt.de/2013/06-01/056.php

»Das verletzt die Souveränität Deutschlands«
Die Bundesregierung muß unverzüglich die Drohneneinsätze der USA von Ramstein aus stoppen. Ein Gespräch mit Norman Paech
Interview: Peter Wolter
Norman Paech ist emeritierter Professor für Internationales Recht an der Universität Hamburg, er war von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter der Linkspartei

Das US-Militär hat zugegeben, daß über seine »Africom« genannte Leitstelle auf dem Stützpunkt in Ramstein Drohneneinsätze in Afrika geplant werden, bei denen Menschen starben. Was sagen Sie als Völkerrechtler dazu?

Nach unserer gegenwärtigen Kenntnis sind Einsätze wie die in Afrika völkerrechtswidrig, weil dort Menschen exekutier werden, die lediglich unter dem Verdacht einer kriminellen Handlung wie etwa eines Terroraktes stehen. Verdacht ist aber kein Beweis. Zulässig wäre lediglich, sie eventuell gefangenzunehmen und dann vor Gericht zu stellen. Das müßte darüber befinden, wie der Tatvorwurf zu bewerten ist.

Derartige Einsätze, bei denen Menschen getötet werden, werden aber nun mal von deutschem Boden aus geplant. Laut Grundgesetz, Artikel 26, sind Angriffskriege oder auch deren Vorbereitung untersagt. Müßte die Bundesregierung das nicht sofort unterbinden?

Wenn sie es nicht tut, ist es Beihilfe zu völkerrechtswidrigen Handlungen. Aber sie wird versuchen, sich aus der Schlinge zu ziehen, wie Anfang der 90er bei den »rendition flights«. Dabei ging es darum, daß auf deutschem Boden US-Flugzeuge zwischenlandeten, die Terrorverdächtige in Folterzentren anderer Staaten brachten. Die Bundesregierung hat damals angeblich von nichts gewußt. Und wenn sie am Freitag durch ihren Sprecher verkünden läßt, auch in diesem Fall nichts zu wissen, so ließ das zumindest auf grobe Kontroll- und Regierungsfehler schließen – offensichtlich nicht die einzigen, wie das andere Drohnenkapitel zeigt.

Formal kann die Bundesregierung sagen, daß sie bei der Einrichtung von »Africom« nicht damit rechnen konnte, daß völkerrechtswidrige Handlungen begangen werden. Aber da es jetzt öffentlich ist, was diese Leitstelle wirklich macht, muß die Bundesregierung handeln – sie macht sich sonst strafbar. Derartige Aktivitäten verletzen die Souveränität Deutschlands.

Strafbar haben sich nach deutschem Recht auch die US-Soldaten gemacht, die in Ramstein von ihrem Computer aus derartige Einsätze steuern. Müßte da nicht die Polizei zugreifen?

Der Stützpunkt ist exterritorial, das haben sich die USA garantieren lassen. Es wird also schwer sein, jemanden auf diesem Gelände zu verhaften. Das sollte die Bundesanwaltschaft aber nicht daran hindern, Ermittlungen aufzunehmen. Denn die sind auch dafür wichtig, das Verhalten der Bundesregierung zu bewerten.

Wenn diese Täter schon nicht auf dem Stützpunkt verhaftet werden dürfen – wäre das außerhalb möglich? Etwa wenn sie zum Supermarkt fahren oder eine Disco besuchen.

Das dürfte juristisch möglich sein.

Müßten nicht auch Ermittlungen gegen hohe Beamte und Regierungspolitiker aufgenommen werden, die seit langem gewußt haben, daß von Ramstein aus Morde in Afrika begangen werden?

Wenn sich das nachweisen läßt, kann man ihnen Beihilfe zur Tötung oder gar zum Mord vorwerfen. Auch die Unterstützung völkerrechtswidriger Angriffshandlungen gegen einen fremden Staat, das kann nämlich strafrechtlich geahndet werden. Zumindest jetzt, wo die »Unschuld« der Regierung dahin ist, macht sie sich der Beihilfe schuldig, wenn sie nicht sofort alles unternimmt, diesem kriminellen Treiben ein Ende zu setzen.

Welche juristischen Möglichkeiten bieten sich jetzt an?

Zunächst müßte vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein Verfahren gegen die USA mit dem Ziel des Verzichts auf Drohneneinsätze von deutschem Boden aus beantragt werden. Vor diesem Gericht – nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof – können Auseinandersetzungen zwischen zwei Staaten ausgetragen werden. In diesem Fall müßte Deutschland gegen die USA klagen. Sie hat das ja schon einmal gemacht im Fall der Brüder LaGrand. 2001 entschied der Gerichtshof, daß die USA mit der Hinrichtung von Walter LaGrand gegen das Internationale Recht verstoßen habe.

Das ist die völkerrechtliche Ebene – welche Hebel bietet das nationale deutsche Recht, die Bundesregierung dazu zu zwingen, diesen Einsätzen ein Ende zu bereiten?

Sie erwähnten den Artikel 26, Grundgesetz. Auch wenn man ihn nur oberflächlich liest, wird einem klar, daß die Bundesregierung in diesem Fall Beihilfe zu einem internationalen Völkerrechtsverbrechen leistet, was auch nach deutschem Strafrecht strafbar ist.

[Süddeutsche Zeitung] US-Streitkräfte steuern Drohnen von Deutschland aus

Die USA fliegen Drohnenangriffe in Somalia, um militante Shabaab-Milizen zu töten. Gesteuert werden diese Einsätze von Militärbasen in Stuttgart und Ramstein aus. Die Bundesregierung erklärt, davon nichts gewusst zu haben. Doch die Einbettung Deutschlands in das Drohnenprogramm könnte völkerrechtlich relevant sein.

http://www.sueddeutsche.de/politik/luftangriffe-in-afrika-us-streitkraefte-steuern-drohnen-von-deutschland-aus-1.1684414

[AG-Friedensforschung] Drohnen-Beschluss der Bundesregierung – “Über Drohnen wollen wir nicht reden – wir handeln”:

gestern hat die Bundesregierung eine Antwort auf die Große Anfrage der SPD zur Drohnen-Politik beschlossen. Hierzu habe ich einen Kommentar geschrieben, der die wesentlichen Inhalte zusammenfasst:

“Über Drohnen wollen wir nicht reden – wir handeln”:
http://ag-friedensforschung.de/themen/Drohnen/stru.html

Auf dieser Seite sind auch die Passagen aus der Pressekonferenz der Bundesregierung dokumentiert, die sich mit den Drohnen befassen.
Desgleichen könnt ihr dort den Link finden auf die Antwort der Bundesregierung auf die SPD-Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/11102). Das ist das Dokument, in dem die Haltung der Bundesregierung zu den Drohnen sehr gut zum Ausdruck kommt – auch wenn nur ausweichend geantwortet wird. Hier könnt ihr das pdf-Dokument herunterladen:
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Drohnen/antwort-spd-anfrage.pdf

[andrej-hunko.de] Keine „Euro Hawk“ für FRONTEX und die Bundeswehr – Moratorium zur Drohnen-Strategie

„Die Beschaffung von Spionagedrohnen ist nicht nur eine militärische Angelegenheit: Auch die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX interessiert sich für die ‚Euro Hawk‘. Die Bundesregierung muss deshalb im Rat der Europäischen Union Position beziehen, keine Flugroboter gegen unerwünschte Migration einzusetzen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.

http://www.andrej-hunko.de/presse/1592-keine-euro-hawk-fuer-frontex-und-die-bundeswehr-moratorium-zur-drohnen-strategie

Pressemitteilung: Drohnenstrategie muss nach Scheitern des Euro Hawk neu verhandelt werden

Als Unterstützergruppe der Kampagne „gegen die Etablierung von Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung“
(drohnen-kampagne.de) zeigt sich die Informationsstelle Militarisierung, Trägerin des Aachener Friedenspreises von 2011, empört darüber, dass das Verteidigungsministerium offenbar unbeirrt an dem Ziel festhält, die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen auszustatten.

„Just in dem Moment, in dem die Öffentlichkeit breit über das Thema militärischer Drohnen diskutiert und das Verteidigungsministerium in die Defensive gerät, erklärt Verteidigungsminister De Maizière die zuvor von ihm eingeforderte Debatte für beendet. Zugleich wurde durch die vorab bekannt gewordenen Antworten auf eine Anfrage der SPD erneut öffentlich, dass das Verteidigungsministerium längst in Verhandlungen über den Ankauf weiterer Drohnen steht und dabei deren Fähigkeit zur Bewaffnung ein entscheidendes Kriterium ist“, so Thomas Mickan von der Informationsstelle Militarisierung.

Gemeinsam mit der Rüstungsindustrie forscht die Bundeswehr zudem bereits seit Jahren an der Entwicklung eigener bewaffneter Drohnen. Dass dabei auch Tarnkappen-Fähigkeiten und ein hoher Grad an Autonomie angestrebt werden, straft zugleich die bislang von Regierungsseite versicherte enge Beschränkung auf sog. „Gefechtsfeldsituationen“ Lügen. Stattdessen steht die geplante Anschaffung bewaffneter Drohnen geradezu symbolisch für die Transformation der Bundeswehr zu einer Armee im weltweiten Einsatz. Die im mittlerweile von mehreren Tausend Menschen unterzeichneten Appell „Keine Kampfdrohnen“ (http://drohnen-kampagne.de/appell-keine-kampfdrohnen/) geäußerten
Befürchtungen einer sinkenden Hemmschwelle für weitere bewaffnete Aggressionen, die Übernahme der Praxis „gezielter Tötungen“, die Gefahr
einer weiteren Verselbstständigung militärischer Technologie und eines
weiteren Wettrüstens werden damit aktueller denn je.
„Wir fordern weiterhin von der Bundesregierung, sich statt an dieser
Rüstungsspirale zu beteiligen, Schritte zu einem weltweiten Verbot und zur
völkerrechtliche Ächtung von Drohnen und Kampfrobotern zu unternehmen und
zu unterstützen“, so Mickan.